"Privatoffenbarung" und Medjugorje

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Privatoffenbarung und Medjugorje

Der Begriff „Privatoffenbarung“ ist schon seit einiger Zeit ein allgemeiner Begriff in der Theologie. Ihm gegenüber steht der Begriff der „öffentlichen Offenbarung“. Die öffentliche Offenbarung wäre diejenige, die in der Bibel steht, und die private Offenbarung wäre die außerbiblische. Es wäre aber richtiger von biblischer und außerbiblischer Offenbarung zu sprechen. Es gibt keinen richtigen Grund, der biblischen Offenbarung mehr Wert und Sinn zu geben, als der privaten, denn - wenn beide wahr sind, wenn beide von Gott kommen - dann sind beide göttlichen Ursprungs und gleichwertig. Beide sind von Gott für die Menschen gedacht und Er will, dass beide angenommen werden. Sonst hätte Er keinen Grund überhaupt zu sprechen. Wenn auch gerechtfertigte Unterschiede zwischen den beiden bestehen, dann ist es keinesfalls in dem Sinne, dass die eine verpflichtend wäre und die andere nicht. Beide sind verpflichtend. Für jeden, den sie erreicht haben, und der genügend Gründe und genügend moralische Sicherheit betreffend ihrer Echtheit hat, sind beide gleicherweise verpflichtend.

Die Offenbarung, die in der Bibel enthalten ist, heißt „Kanon“ - Glaubensregel. Sie ist das Maß der Echtheit jeder anderen Offenbarung. Erstens: Alles was sich dieser Offenbarung widersetzte, wäre unwahr, d.h. falsch. Die biblische Offenbarung garantiert so die Echtheit durch ein negatives Verfahren: Sie sagt, dass eine entgegengesetzte Offenbarung falsch wäre. Im weiteren ist die Echtheit der biblischen Offenbarung durch das Magisterium der Kirche garantiert, dem Christus den Heiligen Geist gegeben hat um diese Offenbarung zu bewahren und mit Unfehlbarkeit auszulegen. Betreffend der außerbiblischen Offenbarung hat das Magisterium keine direkte, sondern eine indirekte Autorität. Dies bedeutet: Wenn es feststellen würde, dass eine außerbiblische Offenbarung der Bibel widerspräche, wäre es sicher, dass sie nicht von Gott kommt. Denn „Wer euch aber ein anderes Evangelium verkündigt, als wir euch verkündigt haben, der sei verflucht, auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel.“ (Gal 1,8) Wenn das Magisterium eine außerbiblische Offenbarung auch anerkennen würde, wären die Gläubigen noch immer nicht gezwungen, sie anzunehmen: Wenn man eigene Gründe hat, muss man sie fide divina annehmen, wenn aber nicht, kann man sie zurückweisen oder daran zweifeln. In diesem Fall ist man fide catholica nicht daran gebunden.

Die Geschichte der Kirche bezeugt, dass es außerbiblische Offenbarungen immer gegeben hat. Nach ihrer Struktur oder Form sind sie der biblischen Offenbarung ähnlich und sind gewöhnlich mit Erscheinungen oder Visionen verbunden. Gewöhnlich handelt es sich um Erscheinungen von Jesus, der Engel und der Heiligen. In der letzten Zeit ist es meistens die Selige Jungfrau Maria.

Die Lokutionen (auditiones) sind mit den Visionen verbunden. Dies bezeugen die neuzeitlichen Erscheinungen der Muttergottes in La Salette, Lourdes, Fatima und Medjugorje. Die Seher sehen die Muttergottes und hören ihre Botschaften, die gewöhnlich zur Bekehrung, zum Gebet (besonders zum Rosenkranz) und zur Busse auffordern. Sie zielen auf die Erneuerung und das Aufblühen des Kirchlichen Lebens und nicht auf eine Offenbarung neuer Glaubenswahrheiten.

Niemand kann Gott zum Schweigen bringen. Er hat sein Gespräch mit den Menschen und seine Offenbarung nicht beendet. In der Kirche und in der Welt fahren diese auf verschiedene Weisen fort. Die Sprache Gottes, im weiteren Sinne, nimmt die Form von Visionen an; das kann man nicht bestreiten. Deswegen sind außerbiblische Offenbarungen nicht nur möglich, sondern auch wahr. Der Geist Gottes, den Christus der Kirche gegeben hat, erinnert sie fortwährend an die Worte Jesu und führt sie zur ganzen Wahrheit. (Joh 16,13) Er tut das nicht nur durch die Hierarchie, sondern auch durch die Charismen der Personen, die sie empfangen haben, denn die Kirche ist nicht nur hierarchisch, sondern auch charismatisch. Der Heilige Geist ist nicht an die Hierarchie gebunden, sondern die Hierarchie an den Heiligen Geist. Er ist frei und weht, wo Er will. Durch die Charismatiker gibt Er der Kirche seine Anregungen und führt sie. Weder die Hierarchie noch die Charismatiker können für sich selbst das ausschließliche Recht in Anspruch nehmen, im Namen des Heiligen Geistes zu sprechen und zu handeln. Ihre Ministerien haben ihren Ursprung im selben Heiligen Geist und sollen harmonisiert werden. Deswegen dürfen weder die Hierarchie noch die Kirche selbstgefällig sein und sollen den Visionen, Erscheinungen und Offenbarungen gegenüber nicht gleichgültig sein. Die Hierarchie darf sie nicht zurückweisen, auch nicht nur tolerieren, sondern muss sie annehmen und fördern. Sonst würde sie den Heiligen Geist selbst zurückweisen.

Visionen und Offenbarungen gehören zu dem der Kirche unentbehrlichen prophetischen Charisma: nicht weil wir - nachdem wir die biblische Offenbarung empfangen haben - eine neue Doktrin oder eine neue Wahrheit brauchen würden, sondern weil wir ein neues Licht, ein besseres Verständnis der Doktrin und der Wahrheit brauchen, und besonders weil menschliches Handeln immer einen neuen Richtungspunkt und einen neuen Schwung benötigen.

Durch die ganze Geschichte hindurch wurde eine mehr oder weniger kritische Position gegenüber der außerbiblischen Offenbarung ausgedrückt. Ausführlichere und zahlreichere Diskussionen begannen mit dem Anfang der modernen Zeiten, gemäss welchen das beste Zeichen der Echtheit einer außerbiblischen Offenbarung und Vision darin besteht, dass sie in Übereinstimmung mit der biblischen Offenbarung steht. Wenn dies einmal festgestellt wird, sehr zugunsten der außerbiblischen Offenbarung spricht der Inhalt, der weit über die Fähigkeiten der Seher hinaus geht. Die geistige und körperliche Gesundheit des Subjekts spielen dabei eine wichtige Rolle. Die persönliche Heiligkeit und die Tatsache, dass das Subjekt im Stand der Gnade ist, tragen dazu bei, sind aber nicht unentbehrlich. Sogar große moralische Schwächen sind prinzipiell kein Hindernis für die Echtheit der Offenbarung. Der moralische Heroismus des Subjekts der Vision trägt positiv zur Feststellung der Echtheit der Wahrheit bei. Die begleitenden Umstände haben auch eine Bedeutung, obwohl die begleitenden Irrtümer nicht unbedingt als negatives Unterscheidungszeichen betrachtet werden. Diese internen Kriterien sind von externen Kriterien begleitet: Wunder und die Anerkennung der Kirche. Die Einmischung in Streitfragen und in politische Angelegenheiten sprechen gegen die Echtheit der Vision, weil die Visionen dem Reich Gottes, und nicht der Neugierde und den weltlichen Zwecken dienen.

Die außerbiblischen Offenbarungen bringen im allgemeinen keine neue Wahrheit, sondern vielleicht nur ein besseres Verständnis der biblisch offenbarten Wahrheiten. Sie fördern sicherlich eine bessere und dringende Anwendung der biblischen Offenbarung an eine bestimmte Situation der Kirche oder gewisser Gruppen in ihr. Sie wollen allgemein zum Glauben und zur Bekehrung anregen, und dadurch die Gläubigen zur Erlösung führen. Sie sind eher Forderungen und Ansporn als Behauptungen. Ihr Ziel ist es, die Menschen zu Gott auszurichten. Diesbezüglich sagt der Heilige Thomas von Aquin: „Wenn es keine Offenbarungen mehr gibt, wird das Volk ohne Führung sein.“ (Summa II-II q 174 a 6) Aus diesem Grund gab es in der Kirche immer Propheten, die keine neuen Lehren verkündigt haben, sondern der menschlichen Aktivität eine Richtung gaben. Der selbe Hl. Thomas von Aquin hebt hervor: „Die Offenbarung ist gegeben für das Wohl der Kirche.“ (Summa II-II q 172 a 4) Sie ruft zu einem echteren christlichen Leben auf und zeigt die Prioritäten und die Mittel. Sie ist die Antwort des Himmels auf bestimmte Fragen der Zeit und hilft dabei mehr als alle intellektuellen oder theologischen Bestrebungen.

Da die außerbiblischen Offenbarungen außergewöhnlich und auffallend sind, rufen sie mehr Aufmerksamkeit hervor als das gewöhnliche Verkünden von biblischen Wahrheiten und von den Richtlinien der Kirche, und wirken als „Schocktherapie“. Es ist bekannt, dass die Erscheinungen von Lourdes, Fatima und Medjugorje die Frömmigkeit intensiviert haben und das geistige Leben in der ganzen Welt aufgeweckt haben. Sie haben sehr zum Neuaufleben der Beichte beigetragen und zur Eucharistischen Frömmigkeit.

Eine zu große Betonung der außerbiblischen Offenbarung zuungunsten des Evangeliums wäre weder gesund noch normal. Die biblische Offenbarung ist immer vorzuziehen, aber die außerbiblische soll auch nicht zurückgewiesen werden, einfach, weil auch diese von Gott kommt, und weil Gott dadurch dem Menschen etwas sagen will. Deshalb ist das Wort Gottes hier und überall bindend.

 

Damit Gott in euren Herzen leben kann, müßt ihr lieben.

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